Diese Story wurde in mehreren Tageszeitungen publiziert
Der Prinz im Gurkenglas von Sieglinde Breitschwerdt
Lisa muss für die Schule einen Frosch malen. Sie nimmt ein
Blatt Papier und einen grünen Stift. Sie malt und malt. Aber es wird nur ein großer grüner Hügel. „Mama, wie malt man
einen Frosch?“, fragt Lisa. Mama sagt: „Bobby hat doch einen Frosch. Sie ihn dir doch
mal an!“ Ihr Bruder hat einen Laubfrosch gefangen. Dass sie daran
nicht gedacht hat! Lisa geht in den Garten. Auf dem Tisch steht ein riesiges
Gurkenglas. Ein großer Frosch hockt auf Moos. Er ist grasgrün und bewegt sich kein bisschen. Lisa klopft an das Glas und sagt: „Warum steigst du nicht
auf die Leiter? Die Sonne scheint!“ Aber der Frosch ist ganz starr. Mit großen Glubschaugen
glotzt er Lisa an. Er gibt keinen Mucks von sich. Lisa klopft noch einmal an das
Glas. „Na los“, ruft sie. „Sag Quak.“ Aber der Frosch sagt nix. Nicht ein einziges Quak. Lisa staunt. Und wenn Lisa staunt, dann bohrt sie manchmal
in der Nase. Sie denkt nach. Wenn ein Frosch nicht quakt, dann ist er
vielleicht gar kein Frosch, oder? Ihr fällt das Märchen vom Froschkönig ein. Vielleicht ist der Frosch gar kein Frosch? Und im Glas sitzt ein verzauberter Prinz!?! Lisa guckt den Frosch an. Der Frosch glotzt zurück. Lisa
stellt sich vor, dass sie eine Prinzessin ist. Der verzauberte Prinz sagt: „Prinzessin Lisa, hol mich raus!
Rette mich!“ Sie greift in das Glas. Der verzauberte Prinz sitzt auf ihrer Hand und sagt:
„Prinzessin Lisa, komm! Ich zeige dir etwas!“ Er springt von ihrer Hand, hüpft vor ihr her und ruft:
„Macht Platz für die Prinzessin! Macht Platz für die Prinzessin!“ Viele stehen Leute stehen an der Straße. Lisa sitzt in einer goldenen Kutsche, die von prächtigen
Pferden gezogen wird. Der Frosch, der ein verzauberter Prinz ist, hüpft voraus und
ruft immer wieder: „Macht Platz für die Prinzessin! Macht Platz für die Prinzessin!“ Die Leute gehen geschwind zur Seite. Sie winken und jubeln Prinzessin Lisa zu. Der Frosch hüpft voraus – bis zum Kaufhaus. Dort hält die
Kutsche. Prinzessin Lisa steigt aus. Der Frosch hüpft voraus – bis in
die Spielzeugabteilung. Dann hüpft er mit einem Satz auf ihre Hand. Er glotzt ihr tief in die Augen und quakt: „Wenn du mich
küsst, dann gehört alles dir!“ „Igitt!“, ruft Prinzessin Lisa und schüttelt sich. Sie sieht die vielen schönen Spielsachen. Viele Sachen davon hat sie sich schon lange gewünscht. Vielleicht
ist es nicht so schlimm, denkt. Entschlossen kneift sie die Augen zu und spitzt
die Lippen. Ihr Mund nähert sich dem Froschmaul. Gleich ist es vorbei, denkt Prinzessin Lisa, dann gehören
alle Spielsachen mir. „Quak, quak!“, quakt es auf ihrer Hand. Erschrocken reißt sie die Augen auf. Plötzlich springt der Frosch auf den Boden. In großen Sätzen
hüpft er durch das Gras – und unter den den Gartenzaun. Weg ist er! Lisa ist enttäuscht. Also war er doch nur ein Frosch, der
keine Lust zum Quaken hatte. Schade! Lisa wird sehr verlegen. Beinahe hätte sie einen Frosch
geküsst. Bei dem Gedanken wird sie ganz rot. Das darf niemand erfahren! Sie geht in ihr Zimmer und malt einen neuen Frosch. Er wird
wunderschön. Sie weiß nur nicht, wie sie ihrem Bruder Bobby die Sache mit dem Frosch erklären soll.
*texte.html /Sieglinde Breitschwerdt
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