Geschichte aus „Der Grünling“
von RenéHampe
Vielarm, der Riesenkrake
Als die Strömung langsam an
Stärke verlor, wartete Grünling gespannt wo sie ihn hinbrachte. All seine
Versuche wieder nach oben zu gelangen waren gescheiter, durch den extrem hohen
Wasserdruck war sein Antrieb nicht voll einsatzfähig. Er hatte jedoch
feststellen können, dass er den Gleiter in der Waagerechten völlig frei bewegen
kann. Es nützte ihm aber im Moment wenig, zumindest solange Grünling sich in
totaler Dunkelheit befand. Innerhalb des Gleiters leuchteten zwar die
Kontrolllampen, spendeten aber kaum Licht. Grünling merkte plötzlich, dass er
immer mehr von seiner Umgebung sah. Erst konnte er es sich nicht erklären, als
er seine Aufmerksamkeit jedoch nach vorn richtete, verstand er sofort. Vor
Grünling erhob sich ein unterseeischer Vulkan. Seine nähere Umgebung erstrahlte
regelrecht in einem warmen, orangeroten Licht. Da er nun ausreichend Licht
hatte um sich zu orientieren, konnte Grünling endlich die Strömung verlassen. Er kam kaum dazu sich richtig
umzusehen, als ihm ein faszinierender Anblick in seinen Bann zog. Vor Grünling
schwebte ein wahrhaft gigantisches Lebewesen. Seine ungefähre Körperlänge
betrug an die sechs Meter und acht, vierzehn Meter lange, Arme zählte Grünling.
An jedem dieser Arme befanden sich mehrere Saugnäpfe. Erstaunlich war auch die
Größe der Augen, sie hatten einen Durchmesser von vierzig Zentimeter. Als
nächstes entschloss er sich, das ihm noch fremde Wesen, genauer zu beobachten.
Er war nur ein wenig näher gekommen und plötzlich saß er wieder in völliger
Finsternis. Über seine Gleiterhaupe hatten sich die Tentakel, wie er später
erfuhr, des Wesens geschlungen. In Grünling blitzte nur noch ein einziger Gedanke
auf: „Nicht schon wieder, es war doch erst finster.“. Kaum gedacht, wurde es
auch schon wieder hell. Grünling wurde nun gefragt, ob er von der Oberfläche
stamme. Bevor er jedoch antworten konnte, stellte sich ihm das Wesen vor. Vielarm, fand Grünling, war ein wirklich passender Name. Vielarm ist also
ein Riesenkrake, eine in der Tiefsee lebende Spezies. Grünling beantwortete
zunächst die ihm gestellte Frage mit einem eindeutigen ja. Allerdings wunderte
er sich sehr, dass Vielarm ihm nach der Oberfläche fragte. Vielarm klärte
Grünling bereitwillig über einen interessanten Umstand auf. Als Vielarm, am
Anfang seines Lebens, aus dem Ei schlüpfte, stieg er als nur drei Millimeter
große Larve an die Meeresoberfläche. Dort wurde er für rund einen Monat Teil
des Planktons, danach sank er zum Meeresboden, wo Vielarm seitdem lebt.
Grünlings intensiver Gedanke nach Licht verriet seine Herkunft von Oben und
Vielarm verzichtete auf weitere Untersuchungen mit seinen Tentakeln. Grünling
berichtete über seine Reisen und Abenteuer, er fand in Vielarm einen
interessierten Zuhörer, der ihm auch sehr viele Fragen stellte. Danach erzählte
Vielarm von seinem doch eher verborgenen Leben, was ganz einfach daran lag,
dass nur wenige Tierarten hier leben und noch weniger in diese Tiefe
vorstießen. Jetzt kam Grünling auf sein Antriebsproblem zu sprechen. Aufmerksam
hörte Vielarm zu und nach einiger Zeit intensiver Überlegung hatte er für
Grünling eine Lösung gefunden. Mit dem Gleiter im Arm schwamm er nun davon. Bald befanden sie sich wieder in
der, von Grünling ungeliebten, Finsternis. Da Vielarm wusste wie Grünling
hergekommen war, hatte er sich überlegt ihn in umgekehrter, jedoch gleicher
Weise wieder nach oben zu befördern. Es gab ganz in der Nähe eine an die
Oberfläche führende Strömung, weil diese etwas höher lag trug er den Gleiter
dorthin. Grünling bemerkte vertrautes an Vielarms Fortbewegung. Vielarm nahm
Wasser auf und stieß es durch eine organische Düse mit hohem Druck wieder aus.
Von seinem Antrieb her kannte er das Prinzip, es beruhte auf dem Rückstoß. Am
Ziel angekommen verabschiedeten sie sich. Als kleine Starthilfe gab Vielarm dem
Gleiter noch einen Schubs. Allmählich stieg der Gleiter wieder nach oben und
diesmal ging alles nicht ganz so stürmisch von statten.
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